DienstagsvorträgeVortrag & Diskussion

Dienstagsvortrag: Emil Szittya und Erich Mühsam – zwei radikale Individualisten der Erich-Mühsam-Gesellschaft e.V.

Erich Mühsam muss man zum Glück – zumindest in Lübeck – nicht vorstellen. Emil Szittya schon. Ein Autor von über fünfundzwanzig Büchern – Romanen, Sachbüchern, politischen Pamphleten – dazu über 500 Artikel und Essays vor allem in politischen Blättern und Kunstzeitschriften, der nach dem Ersten Weltkrieg bis in die 60er Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts unter Literaten und Malern in Berlin, München und Paris berühmt, aber vor allem berüchtigt war.

In Szittyas erfolgreichsten Buch, dem „Kuriositäten-Kabinett“ von 1923, berichtet er - wie es im barocken Untertitel heißt – von „Begegnungen mit (…) Landstreichern, Verbrechern, Artisten, religiös Wahnsinnigen, sexuellen Merkwürdigkeiten, Sozialdemokraten, Syndikalisten, Kommunisten, Anarchisten, Politikern und Künstlern“. Um von solchen Begegnungen in einem Buch zu berichten, muss man sie erst einmal gehabt haben. Das „Kuriositäten-Kabinett“ ist ein wichtiges Vorbild für Mühsams erfolgreichstes Buch, die „Unpolitischen Erinnerungen“. Mühsam ließ es sich ins Gefängnis schicken. Szittya war ein – wie man heute sagt – begnadeter Netzwerker und unglaublich kommunikativ. Kurt Tucholsky kommt zu dem Ergebnis, Szittya kenne „halb Europa, soweit es in den Caféhäusern sitzt“. 
 
Szittyas und Mühsams Wege kreuzen sich mehrfach. Beide sind Gründer von Zeitschriften: Mühsam „Kain“ und „Fanal“, Szittya „Mistral“, „Horizont“ und „Die Zone“. Beide sind freie Schriftsteller auf der äußersten Linken, tendieren zuweilen zu Syndikalisten und Anarchisten, dann wieder zur orthodoxen Kommunistischen Partei. Beide haben ein gestörtes Verhältnis zum Bürgertum, aber auch zur organisierten Sozialdemokratie. Beide haben – wenn ihre Tagebücher und Erinnerungen stimmen – mit denselben Geliebten geschlafen. Ein gewisses Konkurrenzverhältnis ist vorhanden. Die Äußerungen, die sie bis Ende der Zwanziger Jahre übereinander machen, können problemlos in die schöne Anthologie „Dichter beschimpfen Dichter“ aufgenommen werden. Doch alle diese Konflikte treten in den Hintergrund, als die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergreifen. Da geht es dann nur noch ums Überleben. Szittya gelingt dies erst in Paris, dann in der französischen Provinz. Mühsam der eines der wichtigsten Haßobjekte der Nazis war, gelingt es nicht. Im Vergangenen Jahr ist Emil Szittya mit zwei wichtigen Ausstellungen in Paris gewürdigt worden. Die Beziehung dieser beiden wichtigen Künstler soll in dem Vortrag von Christian Schwandt skizziert werden.

Dieser Dienstagsvortrag wird gestaltet vom Erich-Mühsam-Gesellschaft e.V., einer Tochtergesellschaft der GEMEINNÜTZIGEN.

Eintritt frei

Es gelten die bekannten Hygieneregeln.

Unser Foto zeigt Christian Schwandt

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