(Foto: Burkhard Zarnack)

Aktuell

Lübeck: Flächennutzung und Verkehrsstruktur bis 2040

Von Burkhard Zarnack, Lübeckische Blätter

Die Tagesordnung der Bürgerschaft war nicht nur umfangreich, sondern auch mit einem zeitaufwendigen Schwergewicht versehen: der künftigen Verteilung und Nutzung der Flächen sowie die Verkehrsstruktur der Hansestadt bis 2040. Beide Zukunftskonzeptionen beschäftigten die Bürgerschaft über mehrere Stunden, so dass der übliche Zeitrahmen für weitere wichtige Tagesordnungspunkte am Ende fehlte und eine Sitzungsverlängerung notwendig machte.
Seit vielen Wochen wird in den verschiedenen Ausschüssen der Hansestadt über den künftigen Flächennutzungsplan (FNP) diskutiert. Bis zur Bürgerschaftssitzung ergab sich folgendes Bild: Die Verwaltung schlug 200 ha, die Grünen 125 ha, die Groko (zuerst) 400, dann 360 ha als künftige Gewerbeflächen vor – nicht berücksichtigt sind in dieser Aufstellung die Flächen für die Erstellung von Wohngebäuden, die, je nach Vorstellung, noch hinzugerechnet werden müssen. Geklärt wurde mittlerweile aber die Verwendungsweise der Zahlen; die vorliegenden Zahlen geben ausschließlich den Bruttobedarf wieder, also mit anteiligen Grünflächen, Gärten und Zuwegungen.
Zentraler Diskussionspunkt blieb, ob die hohen Flächenanforderungen auch den bestehenden klimatischen Anforderungen standhalten würden; denn es gilt die Faustregel: je höher der Flächenverbrauch, desto höher die klimatischen Belastungen – desto schwieriger wird es also, Ökonomie und Ökologie ins Gleichgewicht zu bringen. Auch wenn immer wieder - vor allem von der CDU betont wurde - dass die beiden oben genannten Ziele vereinbar seien, wurde genau diese Ansicht von den Grünen, Unabhängigen und Linken bezweifelt. Für diese Parteien steht es fest, dass die Hansestadt angesichts dieser umfänglichen Flächenausweisungen ihre Klimaziele verfehlen wird.
Der künftige Verkehrsentwicklungsplan (VEP) verfolgt das Ziel, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken und die Emissionen, verursacht u.a. durch den Individualverkehr, zu senken. Die Zahlen, die in der Debatte hier genannt wurden, gingen z.T. weit auseinander. Soll der Busverkehr 17%, 20% oder 40% Anteil am Verkehrsaufkommen bis zum Jahr 2040 erhalten? Inwieweit soll der Autoverkehr gedeckelt werden? In 17 Jahren auf 7% (so eine polemische Frage)? In welcher Weise sollen diese Ziele durchgesetzt werden? Inwieweit sollen dabei umweltfreundlichere E-Autos berücksichtigt werden? Wie ist insgesamt der hohe Flächenverbrauch des Autoverkehrs zurückzudrängen? Die Stimmenmehrheit (hier: CDU, SPD, FDP und BfL) setzte am Ende folgende Beschlüsse hinsichtlich der Entwicklung der Flächen und des Verkehrs der Hansestadt durch:
•    360 ha für Gewerbe- (darin sind enthalten die geplanten 90 ha des Gewerbegebiets Semiramis) und 35ha für Wohnbauflächen
•    Als Zielwerte für den Verkehr: 30% Kfz-, (26%) 27% Fahrradanteil, 17% (20%) ÖPNV und 26% Fußgängeranteil (die Zahlen differieren in den beschlossenen Anträgen)
Zu diesem Beschluss gibt es folgende Ergänzungen:
•    Zusätzliche Bauflächen werden ausschließlich in städtebaulich integrierten Lagen umgesetzt
•    Um den ÖPNV zu stärken, soll ein „Paradigmenwechsel hin zu einer verkehrsorientierten Planung vollzogen“ werden - so heißt es in der Beschlussvorlage
In Ergänzungsanträgen wird der Bürgermeister aufgefordert, einen Plan vorzulegen, auf welche Weise die Stadt Flächen für größere Wohnungsbauvorhaben erwerben kann – einschließlich der erforderlichen Kompensationsflächen.
Auf die Nutzer der städtischen Kindergärten bzw. deren Eltern kommt zum 01. Januar 2023 eine Erhöhung der Essensbeiträge zu; das ist zunächst die schlechte Nachricht. Die Bürgerschaft hat aber beschlossen, diese Erhöhung nach Rücksprache mit den betroffenen Eltern sozialverträglich zu gestalten und entsprechende Kontakte aufzunehmen. Am Ende dieser Gespräche soll eine soziale Staffelung vorliegen.
Je nach Engagement bzw. parteipolitischer Zugehörigkeit fiel die Kritik am Einrichtungstempo öffentlich zugänglicher Ladestationen für E-Autos aus. Zurzeit gibt es 97 Ladepunkte. Die Zahl 300 wird angestrebt. Bürgermeister Lindenau betonte, dass die Errichtung von Ladestationen im Interesse der Stadt liegt, allerdings seien aus unterschiedlichen Gründen nicht alle Orte geeignet. Die Errichtung von 300 bis 475 Stationen sei im Prinzip unproblematisch; allerdings müsse man Netzkapazitäten beachten. Das würde z.B. auch für private Investoren gelten. Im Beschluss wird der Bürgermeister aufgefordert, die Kfz-Stellplätze im öffentlichen Raum mit Ladesäulen für E-Autos eindeutiger zu beschildern und eine Parkscheibenregelung einzuführen, deren Ziel es ist, eine Benutzung des E-Parkraumes nur für zwei Stunden zuzulassen.
Eher Ratlosigkeit stellte sich bei der Diskussion über den neuen Aufenthaltsort Drogenabhängiger in der Parkanlage im ZOB- bzw. Bahnhofsbereich heraus. Beklagt wurde das Fehlen eines Aufenthaltsraumes, denn in der Nähe des Parks befinden sich die Substitutionsräume für die Ratsuchenden. Aber diese Einrichtung verfügt über keinen Warteraum, weshalb die Besucher draußen bleiben müssen.
Der geplante Aufenthaltsraum im Bereich der Marienbrücke lässt auf sich warten, weil es bei der Bauplanung Verzögerungen gegeben habe. Teile der Bürgerschaft forderten deshalb die Sozialsenatorin Steinrücke auf, eine Zwischenlösung zu finden und einen Behelfsraum anzubieten (im Rahmen eines „Prüfauftrags“).
Mit diesem Gedanken konnte sich die Senatorin nicht anfreunden und lehnte z.B. die Errichtung eines Zeltes im Parkbereich ab. Langfristig erwäge man, die Substitutionspraxis zu verlegen, und zwar in das geplante Umfeld der Marienbrücke – so Bürgermeister Lindenau. Das aber scheint noch zu dauern.
Zugestimmt wurde (nicht zuletzt angesichts der bevorstehenden Sommerpause) folgenden Anträgen (Auswahl):
•    Mittelbereitstellung für den beschleunigten Glasfaserausbau
•    Ausweitung des Angebots für die Linie 40 (Travemünde)
•    Planung des künftigen Busverkehrs im Rahmen des Stationsneubaus Lübeck-Moisling
Nicht mehr behandelt wurden z.B.:  der Kostenlose Zugang für Kinder in die Museen Lübecks, Änderungen zum Prozedere der Einwohnerfragestunde der Bürgerschaft und die Einberufung eines Symposiums in Verbindung mit der freiwilligen Restitution von Exponaten der Völkerkundesammlung.
Die Sitzung endete nach 23.00 mit dem nichtöffentlichen Teil.